Was machen wir, wenn etwas nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben? Wenn wir plötzlich auf Schwierigkeiten treffen und am liebsten alles hinschmeissen würden?
In meinem Schauspielstidium gab es eine Übung um die natürliche Bewegung des Zwerchfells beim Atmen und Sprechen zu unterstützen, bei der man einander Bälle zuwerfen musste. Was soll ich sagen? Es war ein Schauspielstudium und kein Sportstudium: Oft landete der Ball weit weg von dem Menschen, der ihn hätte fangen sollen, oder die Fänger*in war so beschäftigt mit dem Loslassen des Zwerchfells, dass er einem einfach durch die Hände fiel…
Jedes Mal regte man sich auf, dass man es nicht «geschafft» hatte.
Angst, Unsicherheit, Wut kamen auf und das arme Zwerchfell, machte dicht.
Die Dozent*innen schlugen uns vor, dieses Scheitern mit einem hocherfreuten «Oh, Ball» zu kommentieren, als wäre der gefallene Ball das Auftauchen eines neuen, noch tolleren Balles.
Wenn wir Szenen probten, riefen sie oft » fröhlich scheitern» rein.
Da merkte man, dass man sich gerade über eine Nebensache aufgeregt hatte, und musste über die eigene Verbissenheit lachen. Lachen entspannt das Zwerchfell und schwubs lief die Szene oder die Übung besser, als wenn man nicht «gescheitert» wäre.
Ein Schüler an der Filasez hatte eine wunderschöne, unglaublich poetische Idee für ein Projekt.
Er wollte einen Baum aus Draht erschaffen.
Er hatte eine ganz klare Vorstellung: Der Draht sollte eine feine, lebendig erscheinende Strukturen bilden, wie es bei alten Bäumen der Fall ist und aus den Ästen sollten feine Blätter wachsen.
Er begann, voller Elan, das Ziel vor Augen, arbeitete konzentriert und hatte Spass.
Der Draht wollte aber nicht so wie er. Der Stamm behielt die Form nicht und sackte immer wieder zusammen. Er probierte und probierte, aber irgendwann schob er sein Werkstück von sich, sagte, es sei ein blödes Projekt, er wolle es aufgeben und etwas anderes machen.
Ich fragte ihn nach seiner ursprünglichen Vision, wir schauten Bilder an, die seiner Vorstellung nahe kamen, aber er war so frustriert, dass er keinen Ausweg finden konnte. Ein anderer Schüler kam dazu. Wir sprachen über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Vorstellung und Werkstück. Er bemerkte, dass der Draht beim Vorbild viel dicker sei, und hatte einige sehr wertvolle und inspirierende Ideen. Aber nichts schiendurch die, absolut verständliche, Frustration zu dringen.
So sassen wir nun zu dritt vor dem Baum und waren in einer Sackgasse.
Ich dachte, ich müsse jetzt doch eine Idee haben, um ihm weiterzuhelfen, aber mir fiel nichts ein.
Nachdem wir minutenlang tatenlos auf den Baum gestarrt hatten, sagte der erste Schüler plötzlich, immer noch in frustriertem Ton: «Ich könnte wirklich dickeren Draht holen!»…
«Und vielleicht eine Zange.»
Und plötzlich war er über die Frustrationsschwelle drüber und sprudelte richtig drauflos!
Was er sich den als Umgebung für den Baum vorstellen könne, ob er wirklich Blätter oder doch einen kahlen Baum machen wolle und vieles mehr.
Blitzschnell formten sich unzählige Ideen in seinem Kopf, und er begann sofort mit neuem Elan zu arbeiten.
Ob er den Baum fertig macht? Ich weiss es nicht. Ehrlich gesagt finde ich es nicht so relevant. Ich bewundere einfach unglaublich, wie er nach einem Tiefpunkt einen neuen Weg gefunden hat. Aus sich heraus.
Ich denke, zu oft versuchen wir, als Erwachsene, Kinder vor sogenannten schlechten Gefühlen zu bewahren, immer eine Lösung parat zu haben.
Aber die Lösung steckt einerseits im Austausch über ein Projekt, andererseits einfach in dem Menschen selber, wenn er den gefallenen Ball als neuen Ball, als neue Chance sehen kann.
